Der Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung ist in der Interessenabwägung im Rahmen der Beleidigung zu berücksichtigen

Die Interessenabwägung muss hinreichend umfangreich sein.

Im vorliegenden Fall äußerte sich ein Mann in einem Schreiben an die Finanzbehörden negativ über den ehemaligen Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen Norbert Walter-Borjans. Der Brief enthielt folgende Passage: "Solange in Düsseldorf eine rote Null als Genosse Finanzministerdarsteller dilettiert, werden seitens des Fiskus die Grundrechte und Rechte der Bürger bestenfalls als unverbindliche Empfehlungen, normalerweise aber als Redaktionsirrtum des Gesetzgebers behandelt. Aber vielleicht führt ja die Landtagswahl im Mai 2017 hier zu Verbesserungen".

Der Mann wurde wegen Beleidigung verurteilt, wohingegen er Verfassungsbeschwerde einlegte. Diese hatte Erfolg, weswegen die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückgewiesen wurde.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte, die Strafgerichte hätten es versäumt, eine umfassende Interessenabwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durchzuführen. Außerdem fehlte es an einer Auseinandersetzung mit der konkreten Situation, die zu den Äußerungen des Mannes geführt hatte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass dass Gewicht der Meinungsfreiheit in der Interessenabwägung umso schwerer wiege, desto mehr die getätigte Äußerung darauf abzielt, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Demgegenüber wirke sich eine "emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen" gegen Einzelne negativ auf das Gewicht der Meinungsfreiheit innerhalb der gebotenen Interessenabwägung aus.
 
BVerfG, Urteil BVerfG 1 BvR 1094 19 vom 19.05.2020
Normen: § 185 StGB; Artt. 5 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 2 GG
[bns]
 
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