Folgen einer Falschbelastung für die Glaubwürdigkeit des Opfers

Die freiwillige Einräumung erfundener Vorwürfe erhöht nicht die Glaubwürdigkeit des Opfers im Bezug auf die restlichen Anschuldigungen.


Mit diesem Ergebnis hob der Bundesgerichtshof das Urteil eines Landgerichts auf und sprach den Betroffenen von dem Vorwurf sexueller Übergriffe auf die Tochter seiner Ehefrau frei. In dem ersten Verfahren war der Mann wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexueller Nötigung angeklagt und verurteilt worden. Dabei hatte die beschuldigende Tochter ihre polizeiliche Aussage bei ihrer Anhörung durch die Ermittlungsrichterin revidiert und einen Teil der Vorwürfe als Lüge bezeichnet. Dies erfand sie nach ihren eigenen Angaben um sich an "Papa" zu rächen, da er sie immer so "anschnauzen" würde. Vor Gericht stützte sich das Kind auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und auch der Betroffenen selbst machte keine Angaben zu den vorgetragenen Geschehnissen. Das Landgericht wertet darauf hin die Aussage des Kindes als glaubhaft und sah in dem freiwilligen Zugeben der Lüge die Glaubhaftigkeit für den Rest der Vorwürfe sogar als erhöht an. Dieser Rechtsauffassung erteilten die Richter am Bundesgerichtshof eine klare Absage.

"Diese Erwägungen greifen zu kurz. Die - vom Landgericht unterstellte - Lüge gerade hinsichtlich der gewichtigsten bei der Polizei erhobenen Vorwürfe stellte die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin insgesamt in schwerwiegender Weise in Frage. Das Landgericht hat schon nicht geprüft, ob das Motiv der Rache auch für eine mögliche Falschbelastung des Angeklagten im Verurteilungsfall in Betracht kam. Wesentlich erschwerend tritt hinzu, dass das Tatgericht sich keinen unmittelbaren Eindruck von der Zeugin verschaffen und eine fundierte Glaubhaftigkeitsprüfung auf der Grundlage aussagepsychologischer Methoden nicht durchführen konnte, da hierfür im Hinblick auf die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts durch die Zeugin zu wenig Aussagematerial zur Verfügung stand. Angesichts dessen konnte ihren übrigen Angaben vor der Ermittlungsrichterin nur dann gefolgt werden, wenn außerhalb ihrer Aussage Gründe von Gewicht für ihre Glaubhaftigkeit vorgelegen hätten. Solche sind in der Beweiswürdigung des Landgerichts nicht dargelegt."

Vor diesem Hintergrund kam der BGH zu der weiteren Erkenntnis, dass bei der gegebenen Beweislage eine erneute Verurteilung des Angeklagten wohl unwahrscheinlich sein dürfte.
 
Bundesgerichtshof, Urteil BGH 5 StR 401 12 vom 12.09.2012
Normen: §§ 354 I, 261 StPO
[bns]
 
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